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30.03.2021
Die schulische Ausbildung eines Kindes ist ein Prozess von bis zu 12 bis 13 Jahren. Wir befinden uns seit dem ersten Lockdown für geschätzt eineinhalb bis zwei Entwicklungsjahre in einer Gefährdung der Qualität der Ausbildung unserer Kinder. Das entspricht im Durchschnitt 10 bis 12 Prozent der Schulzeit.
Da diese Zeit die Entwicklung der folgenden Jahre mit prägt und nicht losgelöst betrachtet werden kann, sollten die Kinder aus ihrem sozialen Umfeld heraus jetzt so gut wie möglich unterstützt und gefördert werden. Es lohnt sich also jetzt noch in dem fortgeschrittenen Schuljahr aktiv zu werden!
Wo liegt aktuell die Schwierigkeit?
Unser derzeitiges Schulsystem kann vielleicht die Quantität der Unterrichtsstunden halbwegs kompensieren. Es ist aber nicht in der Lage, die dabei auftretende Qualitätseinbußen zu kompensieren. Mangelnde Reformen des Schulsystems und die verschlafene Digitalisierung, die uns ohne Pandemie schon gefehlt haben, um unsere Gesellschaft ins 21. Jahrhundert zu führen, fehlen uns jetzt. Das ist nun für alle deutlich sichtbar. Die Familien sind gezwungen Wege zu finden Arbeit, Soziales und Ausbildung der Kinder pragmatisch zu regeln.
Welche Trends beobachten Sie?
Wir besitzen bereits eine große Abhängigkeit des Bildungserfolges der Kinder vom sozialen Status des Elternhauses in diesem Land. Dieser für die Entwicklung einer modernen Industriegesellschaft ungünstige Zustand wird durch die Pandemie nicht reduziert, sondern eher verstärkt. Es ist also von Bedeutung, ob und wie das Elternhaus die Lerndefizite, die aus der Bekämpfung der Pandemie resultieren, ausgleichen kann oder nicht.
Des Weiteren nimmt die Anzahl der Kinder mit Lernschwächen und Konzentrationsschwierigkeiten seit Jahren zu. Diese Kinder sind jetzt mehr denn je auf Hilfe angewiesen, um nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten. Online-Unterricht ist für diese Kinder kein adäquater Ersatz für die Präsenz an der Schule beziehungsweise dem unerlässlichen Förderunterricht.
Die Reizüberflutung der Kinder und Jugendlichen, insbesondere durch Computerspiele und soziale Medien, erschwert es ihnen zusehends Wichtiges und Unwichtiges zu trennen. Das menschliche Gehirn steuert beziehungsweise sortiert die Speicherung von Wissen und Erfahrungen durch die Bewertung der damit verbundenen Emotionen. Den ersten Kuss haben wir nicht vergessen. Wenn ein Mensch eine heiße Herdplatte berührt hat, vergisst er diese Erfahrung nicht wieder. Die Erfahrungen des Menschen zum Beispiel im Computerspiel sind für das menschliche Gehirn mit mehr Emotionen verbunden als der Unterricht. Somit räumt das Gehirn bei der Speicherung dem Spiel die Priorität gegenüber dem Gelernten ein. Ähnliches gilt für die sozialen Medien.
Was macht das mit den Kindern?
Die Schule besitzt in der menschlichen Gesellschaft zwei Funktionen. Die im Vordergrund stehende, ist die Organisation der Bildung eines Kindes. Die Andere ist das soziale System Schule zur Interaktion mit Gleichaltrigen. Dies bedeutet, dass die Schule neben der Familie eine wichtige Rolle bei der Sozialisation des jungen Menschen einnimmt. Beide Funktionen sind derzeit gestört.
Die Schüler erfahren einmal eine Beeinträchtigung ihrer Ausbildung in der Quantität, da in Menge und Tiefe des behandelten Lernstoffes Zugeständnisse gemacht werden müssen, als auch in der Qualität, da die Schüler wenig bis gar nicht erreicht werden können.
Für eine kleine Anzahl Schüler macht es keinen Unterschied, da sie schon einen hohen Grad an Eigenverantwortung und Selbstorganisation erreicht haben. Das Gros jedoch erfährt einen Mangel an Führung und Orientierung in ihrer Ausbildung. Es gibt auch eine nicht zu unterschätzende Gruppe, die diese Situation als Chance versteht, sich dem Schulalltag zu entziehen und unterzutauchen.
Welchen Rat geben Sie den Eltern, die zu Ihnen kommen?
Sorgen Sie bitte für Kontinuität beim Lernen. Regelmäßiges und geplantes Arbeiten ist der Schlüssel zur Bewältigung der Bildungskrise. Oft wechseln die Schüler zwischen Online-Unterricht und Freizeit nur den Bildschirminhalt. Das ist schlecht. Und ohne größere Pause zwischen Lernen und Spiel noch viel schlechter, da das Gehirn die Lernergebnisse gegenüber dem Spielerlebnis als unwichtiger bewertet und eventuell ignoriert.
Die Kinder lernen am besten, wenn viele Sinne angesprochen und positive Reize beim Lernen ausgelöst werden. Beispielsweise erstellen Sie Lernposter oder Mindmaps mit den Kindern. Das entspricht der Arbeitsweise unseres Gehirns. Lassen Sie dabei den Spaß der Kinder nicht zu kurz kommen. Lernen sollte positive Emotionen auslösen beziehungsweise es sollten positive Emotionen mit dem Lernen verknüpft werden. Man kann bevorzugt Lernspiele einbauen. Diese kann man selbst basteln oder auch natürlich käuflich erwerben.
Zögern Sie nicht professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen bevor die Lust am Lernen verloren geht. Fördern Sie die regelmäßige Bewegung der Kinder. Das hilft auch beim Lernen.
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Unser Interviewpartner:
Dionysios Koliopoulos ist Lehrer für Mathematik, Physik und Wirtschaftslehre und Vater von drei Kindern. Er ist Mitinhaber eines Lernzentrums.
www.learning-by-doing.de
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