Viele Kinderhände liegen übereinander

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Montessori: Innere Werte als Unterrichtsthema

06.08.2019

Maria Montessori betrachtete das Kind als fertigen Menschen, dem nur die Gebrauchsanleitung für das Leben in der Gesellschaft beziehungsweise das Navi für den Weg dorthin fehlt. Daher soll Erziehung nicht lehren, sondern beim Entdecken des nötigen Wissens, das sich jedes Kind selbst aneignen muss, begleiten.

Der Respekt des Einzelnen in seiner Einzigartigkeit und das Vertrauen in die individuellen Fähigkeiten sind die Grundlage der Montessori-Pädagogik.

Diese Werte werden den Kindern auch in ihrem Verhalten anderen gegenüber vermittelt. Toleranz und das Erkennen und Respektieren der Bedürfnisse des anderen werden durch das altersgemischte Lernen und den großen Anteil an Team- und Projektarbeit von Anfang an geschult. Absprechen, zuhören, diskutieren und Konsensfindung gehören zu den täglichen Übungen.

Die Sensibilität eines jeden zu begreifen – und zu erspüren – ist Grundlage des SEE-Learning, ein an der Emory University in den USA entwickeltes Training, das die Schüler dazu befähigt, ihre innere Mitte zu erspüren, zu definieren und in Ausnahmesituationen wiederzufinden. Diese Möglichkeit der Selbstregulation ermöglicht es allen Kindern, insbesondere aber den hochsensiblen Schülern, alleine einen Weg aus der Dysregulation zu finden.

Zunächst werden in einer eigenständigen Unterrichtseinheit die verschiedenen Aspekte des Wohlfühlens (äußere – Klassenraum, Regeln des Miteinanders, Respekt der Mitschüler – und innere – wie spüre ich mein Befinden, mit welchen Worten kann ich es beschreiben, welche Assoziationen und Bilder weckt es in mir) betrachtet. Dabei definieren die Schüler auch ihre individuellen Klassenregeln, die ihre verschiedenen Bedürfnisse zum Wohlfühlen berücksichtigen, und üben den Umgang damit.

In einer zweiten Stufe erlernen die Schüler, wie sie dieses Gefühl des Wohlbefindens, ihrer „inneren Mitte“, durch „Abkürzungen“ in Ausnahmesituationen (Streit, Stress, Unsicherheit) wiedererlangen können und so zu mehr Selbstkontrolle und innerer Gelassenheit und Ruhe finden. Dies ermöglicht ihnen zugleich, auch die Mitschüler und deren Bedürfnisse besser zu verstehen und zu respektieren.

So kann im Anschluss an diese Basisschulung im Stuhlkreis oder in schwierigen oder konfliktreichen Situationen mit den betroffenen Schülern die selbstkritische Reflexion von Konfliktsituationen geübt werden (was ist passiert, welche Gefühle hat das bei mir/beim anderen ausgelöst, was hätte ich/er gebraucht, um sich wohlzufühlen). Dies fördert zugleich die emphatische Wahrnehmung des anderen und damit die Fähigkeit, dessen Bedürfnisse ins eigene Handeln einzubeziehen.

Der Mitschüler wird nicht mehr als Konkurrent empfunden, mit dem man sich misst, sondern als Mit-Schüler mit ganz eigenen Fähigkeiten oder Schwächen, die ebenso zu respektieren sind wie die eigenen.

In dieser reflektierenden Phase lernen die Schüler auch, sich mit allen Stärken und Schwächen anzunehmen und ihre innere Mitte von den äußeren Erfolgen zu trennen („auch wenn ich kein Mathe-Ass/keine Sportskanone bin, fühle ich mich wohl“).

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Pia Denninger

Autorin:
Pia Denninger ist Montessoripädagogin und stellvertretende Schulleitung in der Montessori Schule Idstein
https://www.montessori-idstein.de/

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